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Kulturgießerei Schöneiche thalheim
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Kulturgießerei Schöneiche thalheim
Konzert
Samstag 23.09.2017
Start: 20:00 Uhr
Rezension

Schöneiche Konkret, Oktober 2017
Mit 70 endlich volljährig
Barbara Thalheim in der Kulturgießerei
Immer noch singt sie sich ihren Lebenslauf, ihre Erfahrungen, ihre Irrungen und Wirrungen, ihre Schmerzen mit sich und der Welt von der Seele. Mit 14 geht der Ärger los, die Eltern verstehen sie nicht, der Lehrer, der sie doch nach Ansicht ihrer Freundinnen liebt, liebt sie nicht, trotz ihres klaren Bekenntnisses. Mit 17 die erste eigene Wohnung, natürlich nicht über die Wohnungsverwaltung oder mit Einwilligung der Eltern. Eine Bude im Prenzlauer Berg wird besetzt. Es wird ein-, aus- und umgezogen, und immer bleibt die „Sehnsucht nach der Schönhauser Allee“, auch später, als sie nach der Wende nach Frankreich geht, in Paris „überlebt“ und „Fremdegehn“ mit Jean Paccalet entsteht. Sie erzählt und singt die traurige Liebes- und Lebensgeschichte ihrer Freundin Katharina, die ein blaues und ein braunes Auge hat und sich mit 15 Jahren in den sowjetischen Soldaten Igor verliebt. Sie möchte eine „Insel sein, an der Boote andocken,“ gern Madeira, Sylt, Korsika, Ischia, aber auf keinen Fall Mallorca. Was ihr bei Auftritten dort deutliches Missfallen bei den Zuhörern einbringt. Sie leidet singend an ihren Erfahrungen in Afrika, in Senegal – kann eine junge schwarze Frau mit Kind nicht vergessen, die in einer großen Pappschachtel lebt. Denkt und fühlt sich in die schwarze Frau hinein – und fragt sich, wie diese die Weißen sieht und erlebt. Berührend: „Und keiner sagt: Ich liebe dich.“ Jeder braucht eine Schulter zum Anlehnen. Vor allem Kinder sollen in Liebe und Geborgenheit beschützt aufwachsen. Sie lässt nichts aus. 1972 hat sie eine Verpflichtungserklärung als „IM Elvira“ unterschrieben. Sie ist Tochter eines Überlebenden des KZs Dachau. Sie ist jung, und Sozialismus erschien als eine Alternative. Es war Kalter Krieg. Es kränkt und verletzt sie, wenn sie von Journalisten nach Konzerten nur auf diese Unterschrift reduziert wird.
Voller Bewunderung ein Chanson, eine tiefe Verbeugung vor Edith Piaf. Sie hofft, dass es wieder Hoffnung gibt, dass Frieden bleibt. Sie widerspricht und widersteht. Sie ist eine Chansonsängerin mit rauchiger Stimme und den energischen Bewegungen einer viel jüngeren Frau, sie ist vom Rhythmus ihrer Musiker angeregt und begeistert und glücklich und dankbar, dass so großartige, junge Musiker – Rüdiger Krause (git), Felix-Otto Jacobi (b) und Topo Gioia (perc) mit ihr auftreten. Es macht ihr immer noch Freude, auf der Bühne zu stehen und zu singen, was sie denkt und fühlt, und es ist wohl ihr Lebenselixier. Sie singt vom Sterben, weil sie weiß, dass die Zeit abläuft, aber so klar und kräftig, so voller Energie, dass der Zuhörer überzeugt ist, das letzte Konzert ist noch lange nicht gesungen. 1995 gab es schon einmal einen „Abgesang“, 2015 war sie mit „Krampf der Generationen“ mit dem Rockpoeten Christian Haase in der Kulturgießerei. Sie hat sich allen Widrigkeiten und Verzweiflungen zum Trotz immer wieder aufgerappelt, und da sie lebt, indem sie singt: „Ich atme das Leben ein und als Lied wieder aus“, hoffen wir auf ein neues Programm 2018 oder 2019. Herzlicher Applaus von über einhundert Besuchern und mehrere Zugaben.
Christina Felber

Die Berliner Liedermacherin Barbara Thalheim wird in diesem Jahr 70 und kann es selber nicht fassen. Auch nicht, dass sie nach wie vor mit ihren Liedern auf Bühnen steht, obwohl sie ja 1995 eine Abschiedstournee mit all ihren Lieblingsmusikern gegeben hat.
„Ja, mach nur einen Plan… und mach dann noch ’nen zweiten Plan – geh’n tun sie beide nicht…“ Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ von B.B.
Der Plan war ein anderer, sag die Thalheim (über 20 LP’s, CD’s, Essays, Radiofeatures). 1999 bin ich dem Tod von der Schippe gesprungen und das wollte, musste ich auch als Signal für andere feiern. Wo, wenn nicht mit neuen Songs auf der Bühne? Und so ist es beim Konzerte geben geblieben.
1973 fing alles an mit dem Song „Als ich Vierzehn war“, 1993 ging die politische Singer-Songwriterin für einige Zeit nach Paris; ein neuer Lebensabschnitt begann.
3 O-Ton Thalheim: „Ich wollte das machen, was meine westdeutschen Freunde mit Achtzehn machen konnten, im Ausland leben, mein Land von außen erleben.“
18 Jahre arbeitete sie danach mit dem französischen Akkordeonisten Jean Pacalet zusammen, der 2011 starb.
Im Jahr ihres 70. Geburtstages hat die Liedermacherin mit ihren fulminanten jungen Musikern (Rüdiger Krause, git., Felix-Otto Jacobi, b., Topo Gioia, perc.) ein grooviges Lieblingsliederprogramm aus selten gesungenen und brandneuen Songs zusammengestellt.


Barbara Thalheim & Band Website